ADB:Martini, Karl Anton Freiherr von

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Artikel „Martini, Karl Anton Freiherr von“ von Hans von Zwiedineck-Südenhorst in: Allgemeine Deutsche Biographie, herausgegeben von der Historischen Kommission bei der Bayerischen Akademie der Wissenschaften, Band 20 (1884), S. 510–512, Digitale Volltext-Ausgabe in Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=ADB:Martini,_Karl_Anton_Freiherr_von&oldid=- (Version vom 29. März 2024, 05:34 Uhr UTC)
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Martini: Karl Anton Freiherr von M. zu Wasserberg, Rechtslehrer, Staatsmann, Mitbegründer der Aufklärung und der Josephinischen Reformen in Oesterreich, geb. 15. Aug. 1726 zu Revo in Südtyrol, war der Sohn eines k. k. Hofrathes der obersten Justizstelle, der 1765 in den Ritterstand erhoben wurde, studirte in Innsbruck und Wien, erwarb an letzterer Universität die juristische Doctorwürde und unternahm dann Reisen durch Deutschland, die Niederlande, Spanien, Frankreich, Italien. In Spanien hatte er durch 13 Monate hindurch Beschäftigung bei der kaiserlichen Gesandtschaft gefunden. Als er nach Wien zurückkehrte, erzielte eben van Swieten’s Einfluß auf das gesammte Studienwesen die ersten praktischen Erfolge, zu diesen gehörte es unstreitig, daß M. 1754 „nach ausgestandenen Konkurs“ (wie sich De Luca so rührend ausdrückt) zum Professor des Naturrechtes und des römischen Rechtes an der Wiener Universität ernannt wurde, zu deren Regeneration nächst J. v. Riegger er in Hinsicht auf die juridischen Studien am wesentlichsten beigetragen hat. Als Lehrer und Schriftsteller war er ein Vorkämpfer des Rationalismus im Rechtswesen; er verwarf die Tortur und verlangte Beschränkung der Todesstrafe, das Naturrecht suchte er auf rein philosophische Begriffe, frei von jeder theologischen Beeinflussung zu begründen, in der Theorie des Staates stellte er sich auf den Standpunkt der gemäßigten Aufklärung. Sein bedeutendster Schüler, J. v. Sonnenfels, spricht mit großer Anerkennung und Dankbarkeit von der Einwirkung [511] Martini’s auf seine geistige Entwicklung. „Ich bin M. die Gerechtigkeit zu gestehen schuldig, daß sein gedrängter, überzeugender Vortrag mich zuerst wahrhaft denken gelehrt, und wenn heute Ordnung, Klarheit und Bündigkeit in meinen Schriften und Vorlesungen nicht ganz vermißt werden, so habe ich es viel dem Unterrichte dieses Mannes zuzuschreiben, der dem Staate so viele Jünglinge gebildet hat, die nun mit Ruhm ansehnliche Aemter bekleiden und durch ihre Geschicklichkeit ihren Lehrer ehren.“ Sein Vortrag in klassischem Latein verlor durch die italienisirende Aussprache und durch den murmelnden Ton, den er sich angewöhnt hatte, an Deutlichkeit und konnte nicht als ein hinreißender gelten, er wirkte hauptsächlich dadurch anregend, daß M. keine Gelegenheit vorübergehen ließ, ohne auf die bestehenden Mißbräuche und Vorurtheile hinzuweisen. Seit 1760 gehörte M. auch der Studienhofcommission an und schützte durch seine Intervention die Professoren vor der bedrückenden Willkür der Facultätsdirectoren. Die allmälige Verdrängung der Jesuiten von der Lehrkanzel ist nicht zum geringsten Theile ihm zuzuschreiben, da er sich des besonderen Vertrauens und Wohlwollens der Kaiserin Maria Theresia erfreute, welche ihm in den Jahren 1761–73 den Unterricht der Erzherzoge Joseph, Leopold, Ferdinand, Maximilian und der Erzherzogin Marie Caroline, nachmaligen Königin von Neapel, übertragen hat. Ihm wurde übrigens, wie Arneth bemerkt, das gewöhnliche Schicksal der Männer von gemäßigter Gesinnung zu Theil: weder der einen, noch der anderen der sich feindlich gegenüberstehenden Parteien konnte er es vollkommen recht machen. Die Jesuiten und ihre Anhänger sahen in ihm einen Gegner und bekämpften ihn als solchen; ein Gleiches geschah aber auch von jenen ungestümen Drängern nach vorwärts, als deren eigentliche Repräsentanten der jüngere Riegger und Eybel anzusehen waren. Martini’s Wirksamkeit blieb nicht auf die akademische Laufbahn beschränkt, er wurde 1764 Hofrath bei der Obersten Justizstelle und hat seither an allen hervorragenden legislatorischen Arbeiten, namentlich seit 1773 an der Codificirung des Civilgesetzbuches Antheil genommen; er ist auch der Verfasser des allgemeinen bürgerlichen Gesetzbuches in 3 Theilen, welches in Galizien eingeführt wurde. 1774 kam M. zur politischen Hofstelle, zur böhmisch-österreichischen Hofkanzlei und erhielt daselbst das Referat über alle die Aufhebung des Jesuitenordens betreffenden Angelegenheiten. Er hatte schon vorher in der Commission, welche ein Jahr vorher zur Berathung der durch Aufhebung der Gesellschaft Jesu verursachten Geschäfte eingesetzt worden war, auf die Nothwendigkeit von Reformen im Schulwesen hingewiesen und selbst die Grundzüge zur Entwerfung eines allgemein verbesserten Planes in Studiensachen entworfen, welche glänzend begutachtet wurden und mit Annahme eines einzigen unwesentlichen Punktes die Genehmigung der Kaiserin erhielten. Es wird darin die Verpflichtung des Staates betont, jedem Unterthan nach Stand und Beruf den nöthigen Unterricht zu ertheilen und dies durch die Anstellung tauglicher Lehrer zu ermöglichen. Ein gleichförmiger Unterricht müsse eine gleiche Denkungsart aller Unterthanen und wahren Nationalgeist wachrufen, alle Pedanterie, sowie die unnützen spitzfindigen Streitfragen müßten verbannt werden, dagegen sei die Anwendung und Ausübung der erlernten Grundsätze anzustreben, durch einen eigenen Fond müßte dem Schulwesen die nöthige Dauerhaftigkeit garantirt werden. Im J. 1779 kehrte M. über sein Ansuchen wieder zur Obersten Justizstelle zurück und wurde 1782 Staatsrath in inländischen Geschäften. Von diesem Zeitpunkte an gab er seinen akademischen Beruf auf und widmete sich unter Joseph II., der in ihm einen treuen Anhänger seiner Ideen fand, der Verbesserung der Criminalgesetze und der Einführung der neuen Gerichtsverfassung in Mailand und den Niederlanden. Unter Leopold II. wurde er Präsident der neu zusammengesetzten [512] Hofcommission für Gesetzsachen, unter Franz II. zweiter Präsident der Obersten Justizstelle. Die Verleihung hoher Orden, des Freiherrnstandes und der Geheimratswürde hatten dem hohen Ansehen, welches M. bei der Regierung genoß, außerdem besonderen Ausdruck gegeben. M. starb am 7. August 1800. Von seinen schriftstellerischen Arbeiten sind hervorzuheben: „Ordo historiae juris civilis“ (1755); „De lege naturali positiones“ (1767), deutsch: „Lehrbegriff des Naturrechts“ (1797); „Positiones de jure civitatis“ (1768), deutsch bearbeitet von Sonnleithner, Hiltenbrand, Zahlheim und von M. selbst als „Allgemeines Recht der Staaten“ (1797); „De lege naturali exercitationes sex“ (1776), deutsch von Sonnleithner. Dazu kamen noch Dissertationen und Ausgaben von Mercerius: Consiliator, Oldendorp: Εἰσαγωγή und Merillius: Observat. libri VIII.; auch haben Martini’s Anschauungen und Grundsätze zu mehrfachen Interpretationen und Compilationen Anlaß gegeben.

Volpi, Sulla vita e sulle opere del Barone C. A. Martini.De Luca, Das gelehrte Oesterreich, I. Bd. – Oesterr. National-Encyclopädie, 3. Bd. – Wurzbach, Biogr. Lex. 17. Th. – Arneth, Maria Theresia, 9. Bd. – A. Wolf, Oesterr. unter Maria Theresia, Joseph II., Leopold II., S. 202 u. ff. – Kopetzky, Joseph und Franz von Sonnenfels.